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Wer heute versucht, etwas Bewahrenswertes zu bewahren, der muß schon fast ein Revolutionär sein. (Erhard Eppler)
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Trafoturm Wildes Ried von 1918 in Kürnbach

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Umspannstation Wildes Ried 47 Umspannstation Wildes Ried 23 Umspannstation Wildes Ried 15 Umspannstation Wildes Ried 78 Umspannstation Wildes Ried 38 Umspannstation Wildes Ried 1
Turm-Umspannstation aus dem Wilden Ried bei Winterstettendorf 1918
Alle Fotos auf dieser Seite: Pit Fischer, 2011
Für das 1888 angelegte Torfwerk im Wilden Ried bei Winterstettendorf (heute Gemeinde Ingoldingen, Landkreis Biberach) erstellte der Bezirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) 1918 eine 15/0,4 KV-Turm-Umspannstation des OEW-Typs "Am" (mit Blitzschutz) als kundeneigene Anlage. Die Umspannstation diente zur Stromversorgung des Torfwerks. 1961 stillgelegt, wurde die Trafostation im Frühjahr 1991 in drei Teilen ins Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach bei Bad Schussenried umgesetzt und die von der Energie-Versorgung Schwaben (EVS) nach der Stillegung sichergestellte Anlage wieder eingebaut, der originale Zustand wiederhergestellt.
Die Umspannstation ist durch ihre im Zustand der Erbauungszeit erhaltene Einrichtung ein technisches Denkmal und ein wichtiger baulicher Zeuge der Frühzeit der Elektrifizierung Oberschwabens, mit der von der OEW 1914 begonnen wurde. (aus den Originaltexten des Freilichtmuseums)


Umspannstation Wildes Ried 03 Umspannstation Wildes Ried 26 Umspannstation Wildes Ried 69 Umspannstation Wildes Ried 31 Umspannstation Wildes Ried 42
Umspannstation Wildes Ried 06 Umspannstation Wildes Ried 09 Umspannstation Wildes Ried 24 Umspannstation Wildes Ried 30 Umspannstation Wildes Ried 44 Umspannstation Wildes Ried 45 Umspannstation Wildes Ried 46 Umspannstation Wildes Ried 71
Umspannstation Wildes Ried 27 Umspannstation Wildes Ried 10 Umspannstation Wildes Ried 54 Umspannstation Wildes Ried 08 Umspannstation Wildes Ried 11 Die Tuer des Trafoturms Wildes Ried Stationsbezeichnung und Warnschild am Trafoturm Wildes Ried Holzmast mit Isolatoren
Abbildungen untere Reihe:
Hier sehen Sie die typische Leiterseilbefestigung, wie sie in der ersten und zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts praktiziert wurde: Auf eingelassenen Stahlträgern wurden Stützisolatoren angebracht. Interessanterweise handelt es sich bei den hier abgebildeten weißen Isolatoren mit den Doppelkopfrillen nicht um die in dieser Zeit üblichen Delta-Isolatoren, sondern um eine Variante nach Schweizer Bauart, die in dieser Bauform bis heute "Beznauisolator" genannt wird. Man merkt, dass in dieser Gegend sehr starke Einflüsse aus der Schweiz vorhanden waren. Der Beznau-Typ hat im Gegensatz zum Delta-Isolator nur einen Schirm, der Delta-Typ hat drei. In Deutschland wurde diese materialaufwendige Befestigung spätestens Mitte/Ende der 1920er Jahre aufgegeben. Danach wurden auf Seiten der Mittelspannung einzelne Ösen in der Mauer verankert sowie Abspannketten bzw. Vollkernisolatoren (VK60 oder 75) verwendet. Auf Seiten der Niederspannung schraubte man gebogene Hakenstützen direkt ins Mauerwerk, später reichte auch hier eine kleine Öse für die Befestigung der Isoliereier. Mehr zu diesem Thema auf unserer Seite Isolatoren & Co.
Auf dem dritten Bild von links ist oben der erste abgehende Stromkreis zu sehen. Darunter sind nur noch leere Maueranker in der Hauswand, sie waren Ausgangspunkt für den zweiten Stromkreis.
Bild 2 und 3 von rechts zeigen die Tür des Trafoturms mit der Stationsbezeichnung und dem Warnschild "Hochspannung. Vorsicht! Lebensgefahr." Abbildungen weiterer solcher Warnschilder von den 50er Jahren bis heute finden Sie in unserem kleinen Artikel Vorsicht Lebensgefahr! - Tafeln warnen vor Hochspannung.
Die Abb. ganz rechts zeigt den 15KV Mittelspannungsmast in Großaufnahme, der auch auf einigen Bildern der beiden oberen Reihen zu sehen ist: die Zuleitung der Mittelspannung zum Trafo.


Umspannstation Wildes Ried 16 Umspannstation Wildes Ried 17 Umspannstation Wildes Ried 18 Umspannstation Wildes Ried 19 Umspannstation Wildes Ried 21 Umspannstation Wildes Ried 20
Innenaufnahmen der elektrischen Anlage
Erstes und zweites Bild von links:
Hier ist die Niederspannungsschalttafel mit Verbrauchsmessung zu sehen. Hier waren früher wohl zwei Zähler montiert. Auf der Schalttafel aus Marmor befinden sich unten die beiden Hauptschalter für die beiden abgehenden Stromkreise. In der Mitte findet sich ein Sicherungshalter für die Aufnahme von Sicherungsdrähten. Diese mussten früher noch bei Bedarf lose eingespannt werden, heute gibt es dafür NH Sicherungseinsätze und spezielles Werkzeug bzw. Lasttrenner, die gefahrenfrei für das Bedienpersonal gleichzeitig alle drei Phasen unterbrechen. Neben diesem Sicherungshalter befindet sich ein Drehschalter, welcher die Einschaltung der beiden Drehspulmeßgeräte in die einzelnen Phasen erlaubte. So konnte überprüft werden, ob die angeschlossene Last in etwa gleich auf alle drei Phasen verteilt war und welche Ströme in den einzelnen Zweigen flossen. Es befinden sich noch einige kleinere Schraubsicherungen der Größe K2 auf der Tafel. Sie dienten mutmaßlich als Zählervorsicherungen sowie zur Absicherung der Beleuchtung im Turm. Über der Schalttafel befinden sich drei Bauelemente, deren Funktion nur vermutet werden kann, da ihre Bauform und Platzierung längst überholt ist: Überspannungsableiter (Blitzschutz) für die abgehenden Niederspannungsleitungen.
Neben der Schalttafel hängen diverse Tafeln an der Wand. Dabei handelt es sich um Unfallverhütungsvorschriften nach Vorgaben des VDE sowie die obligatorischen Hinweise zur Ersten Hilfe (Umgang mit Brandwunden, Wiederbelebung). Solche Hinweise sind wirklich lesenswert. Brandblasen aufstechen, Herz-Lungen-Wiederbelebung nur durch Armbewegungen. Man könnte auch gleich den Pfarrer holen. (Abbildungen einer Erste-Hilfe-Anleitung und einer VDE-Betriebsvorschrift finden Sie im Anschluß an diesen Text)
Die kleine gelbe Tafel zeigt das Schaltungsschema der Station. In der Ecke steht eine (vermutlich) umgebaute Schalterstange. Regelmäßig mussten die Anlagen von Staub und Spinnweben gereinigt werden. Um an die Anlagenteile zu kommen, brauchte es lange Besen. Damit nicht immer die Station abgeschaltet werden musste, befestigte man solche Bürsten an isolierenden Stangen. Auch heute wird die Wartung von Stationen nach der AUS-Methode angewendet (Arbeiten unter Spannung). Eine weitere Stange fehlt. Damit wurde der Trennschalter im leider nicht zu besichtigenden ersten Stock betätigt. Dorthin führt die an der Wand montierte Leiter auf Bild 4 und 5 von links.
Bild drei von links:
Das Foto zeigt den Kern der ganzen Anlage, den ölgefüllten Transformator. Ihm wird die Hochspannung über die an der Wand geführten Kupferstangen zugeführt. Sie kommen aus dem oberen Stockwerk und führen nach dem Trennschalter mittels Durchführungen in der Decke zum Trafo. Um unbeabsichtigte Berührung oder auch nur Annäherung dieser Leitungen zu verhindern, wurden großflächige Metallgitter angebracht (Bild 6).
Auf dem Transformator sitzt ein Tank, der Ölkonservator. Er sorgt dafür, dass sich das Öl im betriebswarmen Zustand ausdehnen kann. Moderne Öltrafos haben im Gegensatz zu diesem Modell einen Kessel mit Kühlrippen zur Wärmeableitung. Unter dem Ölkonservator gehen die Niederspannungsleitungen sowie der Neutralleiter ab. Sie führen zu einem freistehenden Sicherungshalter (heute undenkbar) nach gleichem Muster wie auf der Schalttafel. Danach verschwinden sie im Boden um hinter der Schalttafel wieder zu erscheinen.
In unserer Rubrik Über Transformatoren finden Sie einen kleinen Artikel mit Abbildung zum Thema Schalttafeln aus Marmor, sowie weitere Einblicke und Innenansichten von Turmstationen.


Erste-Hilfe-Anleitung von 1907 VDE-Betriebsvorschriften von 1924
Erste-Hilfe-Anleitung von 1907 und VDE-Vorschriften von 1924
Beide Abbildungen stammen nicht aus dem Museumsdorf Kürnbach
Abb. links:
"Anleitung zur ersten Hilfeleistung bei Unfällen im elektrischen Betriebe, aufgestellt unter Mirkwirkung des Reichs-Gesundheitsrats, genehmigt auf der Jahresversammlung in Hamburg 1907.
I. Ist der Verunglückte noch in Verbindung mit der elektrischen Leitung, so ist zunächst erforderlich, ihn der Einwirkung des elektrischen Stromes zu entziehen..." (Anmerkung: soweit gilt das auch heute noch)
Abb. rechts:
Ausgabe 1924 der "Vorschriften für die Errichtung und den Betrieb elektrischer Starkstromanlagen nebst Ausführungsregeln (II. Betriebsvorschriften). Herausgegeben vom Verband Deutscher Elektrotechniker. Genehmigt durch die a.o. Ausschuß-Sitzung vom 30. August 1923.
§1. Erklärungen
a) Niederspannungsanlagen. Anlagen mit Spannungen bis 250V zwischen beliebigen Leitern sind ohne weiteres als Niederspannungsanlagen zu behandeln; Mehrleiteranlagen mit Spannungen bis 250V zwischen Nulleiter und einem beliebigen Außenleiter nur dann, wenn der Nulleiter geerdet ist. Bei Akkumulatoren ist die Endladespannung maßgebend. Alle übrigen Starkstromanlagen gelten als Hochspannungsanlagen"
Mehr zu solchen Plakaten in Turmstationen siehe auf unserer Themenseite Vorschriften und Anleitungen zur Ersten Hilfe.



Stromzugang im Haus 1 Stromzugang im Haus 2 Stromzugang im Haus 3 Stromzugang im Haus 4 Stromzugang im Haus 5 Stromzugang im Haus 7 Stromzugang im Haus 6
Der Strom kommt über das Dach ins Haus
Von der Trafostation kommt der Strom mittels Freileitungen an Niederspannungsmasten über einen Dachständeranschluss (zweite Abb. von links) ins Haus. Die Bilder zeigen den Anschluss im Nachbarhaus des Trafoturms (Haus Christ, erbaut 1760 in Aulendorf). Hier in Kürnbach ist wegen der kurzen Strecke zwischen Turm und Wohnhaus kein Niederspannungsmast nötig.
Im Innern des Hauses findet sich der sog. Hausanschlusskasten am Rohr des Dachständers montiert (Abbildungen Mitte). Darin befinden sich drei Sicherungseinsätze, meist 63 A. In der Umgangssprache hat sich dafür auch der Begriff "Panzersicherung" eingebürgert, in Anlehnung an die hohe Stromstärke. Wenn Sie mal bei sich daheim nachschauen: Bei der heute üblichen Erdverkabelung kann der schwarze Kasten auch im Keller hängen.
Die beiden rechten Bilder zeigen einen Zähler, Sicherungen, Glühbirnen und andere elektrische Kleinteile.


Elektrogeraetewerbung 1   Elektrogeraetewerbung 2   Elektrogeraetewerbung 3
Der vollektrische Haushalt - Strom kommt sowieso ins Haus
Was tun mit all dem Strom? Reklameplakate helfen.
Rechtes Bild: Zeitungsreklame für Elektrizität im Bügelgerät von Rowenta, der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft-Berlin (AEG) und dem Bezirksverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke: "Elektrisches Bügeln ist die Lieblingsbeschäftigung aller Hausfrauen geworden" und: "In keinem Haushalt sollte das elektrische Bügeleisen und der elektrische Kochtopf fehlen."

Die Umsetzung des Turms von Winterstettendorf nach Kürnbach im Jahr 1991
Nicht nur die Redaktion fragt sich, wie solch ein Gebäude von einem Ort zum anderen versetzt werden kann. Früher wurden die Häuser Stein für Stein abgetragen und die nummerierten Teile im Museum wieder zusammengebaut - mit dem großen Nachteil, dass wertvolle Details wie z.B. der Putz verlorengingen und sich auch sonst Verluste in der Bausubstanz und im Gesamtgefüge ergaben. Später ging man dazu über, die Gebäude in großen zusammenhängenden Stücken umzuziehen (mitsamt Putz, Fenstern, Türen, Kleinteilen). Der Dachstuhl wird auch heute noch zerlegt und am neuen Ort wieder zusammengesetzt.
Der Trafoturm Wildes Ried wurde bereits mit dieser neuen Technik versetzt: nach dem Abbau des Dachs wurde die Station horizontal in drei Teile zersägt. Diese wurden außen und innen mit Holz verschalt. In die Wände wurden Löcher gebohrt, um die Segmente mit Hilfe von T-Trägern, Spanneisen und Trossen mit einem Autokran auf einen Tieflader zu verfrachten und am neuen Ort in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammenzusetzen. All dies geschieht durch Spezialfirmen, die sich auf historische Gebäude spezialisiert haben.
Die Redaktion bedankt sich beim Museum Kürnbach für diese Informationen.


Einige weitere Türme ähnlicher Bauart aus den 1910er Jahren sind in der Region erhalten, u.a.:

Umspannstation Jettkofen Schule   Trafoturm Bauernhausmuseum Wolfegg   Umspannstation Bolstern   Umspannstation Ebersbach
Jettkofen 1915   Wolfegg 1915   Bolstern 1914   Ebersbach 1914


Trafoturm bei Medulin in Kroatien
Ein zwar nicht architektonisch, aber technisch vergleichbarer Turm steht in Kroatien:
Der Trafoturm bei Medulin (Istrien)


Das Oberschwäbische Museumsdorf Kürnbach
Das ländliche Freilichtmuseum bei Bad Schussenried ist nicht nur wegen des Trafohäuschens sehenswert: Altoberschwäbische Bauernhäuser bis zurück ins 15. Jahrhundert (teilweise mit Reetdächern), Backhaus, Hirtenhäusle, Zehntscheuer, Schmiede, Kapelle, Ställe, Straßenwärterhäuschen, Bienenhaus, Brennerei, Rathaus, Kegelbahn, Tanzhaus, dazu viele Exponate aus dem bäuerlichen und handwerklichen Leben sind zu besichtigen. Der Eintrittspreis ist nach Meinung der Redaktion günstig und unbedingt lohnenswert.

Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
Griesweg 30
88427 Bad Schussenried-Kürnbach
Tel.: 07583 - 942050

Das Freilichtmuseum im Internet:
Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach
Weitere Infos:
Wikipedia-Artikel 'Oberschwäbisches Museumsdorf Kürnbach'


Toren besuchen die Museen, Weise gehen in die Tavernen
(frei nach Erhart Kästner)
Auch für die weisen Jünger Erhart Kästners hat das Museumsdorf vorgesorgt: In der museumseigenen Kürnbacher Vesperstube (ehemaliger Fahrzeugschuppen von 1946 der Energie-Versorgung Schwaben am Biberacher Krankenhaus) gibt es deftiges Vesper, schwäbische Küche und kühlen Trunk - für Weise und Narren gleichermaßen.
:-)

Alle Abbildungen auf dieser Seite außer den als anderweitigen Ursprungs gekennzeichneten stammen aus dem Museumsdorf Kürnbach.

Weitere Beispiele für Trafotürme, die zum Museum umfunktioniert wurden, finden Sie in unserer Rubrik Trafostationen als Museum und im Museum.

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Stand: 21. Februar 2015
Carpe diem

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